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25. Oktober 2019 – UBS Thema im Fokus

„Jetzt gilt es, die Ärmel hochzukrempeln“

Ist die deutsche Wirtschaft zu einseitig auf den Export ausgerichtet? Dieser Ansicht ist zumindest Ludovic Subran. Der Chefvolkswirt der Allianz ruft in einem Gastbeitrag bei Focus Online Money („Das deutsche Geschäftsmodell ist in Gefahr“ veröffentlicht am 19.10.2019) für die kommenden Jahre die Devise aus, dass sich Deutschland „vom Export-Weltmeister zum Europa-Champion“ wandeln sollte. Allerdings befürchtet Subran, dass Deutschland in Europa wirtschaftlich vom Wachstumsmotor zum Bremser geworden ist.

Binnennachfrage gleicht Exportschwäche aus

Erst in der vergangenen Woche hat die Bundesregierung ihre Herbstprognose vorgestellt. Diese sieht zwar keine Konjunkturkrise, korrigierte aber das erwartete Wirtschaftswachstum deutlich nach unten. Das Bruttoinlandprodukt soll demnach in 2020 gegenüber dem Vorjahr anstatt um 1,5 Prozent nunmehr um 1,0 Prozent zulegen. Für das laufende Jahr bleibt die Prognose unverändert bei einem mageren Plus von 0,5 Prozent. Demnach leidet die deutsche Industrie wegen der internationalen Handelskonflikte unter Exportschwäche, während sich die Binnennachfrage weiterhin intakt präsentiere. Deutsche Aktien der ersten und zweiten Reihe zeigten sich zuletzt in guter Laune: Sowohl der DAX als auch der MDAX konnten auf Wochensicht um 1,6 Prozent zulegen.

Mehr Rückenwind von der Bundesregierung?

Um die Binnenkonjunktur zu stützen, forderte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bei der Vorstellung der Prognose für die Unternehmen „mehr Rückenwind von der Bundesregierung“. Dabei schwebt ihm „eine Wachstumspolitik mit Steuerentlastungen und Bürokratieabbau, Investitionen in Zukunftstechnologien und mehr Anstrengungen im Bereich der Digitalisierung“ vor. Der Appell richtet sich nach Ansicht der Süddeutschen Zeitung („Altmaier stellt Herbstprognose der Bundesregierung vor“ veröffentlicht am 17.10.2019) an die SPD. Der Koalitionspartner hat sich demzufolge bislang gegen eine umfassende Reform der Unternehmenssteuern und gegen eine Soli-Abschaffung gestellt. Deutsche Technologieaktien dürften von einer Technologie- und Digitalisierungsinitiative, wie von Altmaier vorgeschlagen, profitieren. Dennoch muss der TecDAX ein Wochenminus von 0,2 Prozent hinnehmen.

Steuereinnahmen eröffnen fiskalischen Spielraum

Subran beziffert den fiskalischen Spielraum im Jahr 2020 im besagten Gastbeitrag auf rund zwölf Milliarden Euro. Tatsächlich sprudeln die deutschen Steuereinnahmen dank eines robusten Arbeitsmarkts. Der Bund nahm im vergangenen September 32,78 Milliarden Euro an Steuern ein. Wie das Bundesfinanzministerium an diesem Montag ferner bekanntgab, entspricht das einem Zuwachs im Vergleich zum Vorjahresmonat von 4,8 Prozent. Das Plus in den ersten neun Monaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum belief sich auf 0,3 Prozent. Allerdings spricht sich mancher Politiker gegen steigende Staatsinvestitionen aus, da selbst die bereits zur Verfügung gestellten Mittel nicht abgerufen würden. Um das zu ändern, müssten laut Subran Hindernisse abgebaut werden. Dieser schlägt daher die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen vor, „in denen verkürzte Planungs- und Genehmigungsverfahren gelten“ sollen.

Brexit geht wohl in die Verlängerung

Der EU-Austritt Großbritanniens läuft derweil auf eine Verlängerung hinaus. Das britische Parlament stimmte zwar dem von Boris Johnson mit der EU ausgehandelten Austrittsabkommen zu, sprach sich aber gegen den straffen Zeitplan für einen Austritt bis zum bislang vorgesehenen Termin am 31. Oktober 2019 aus. Der Premierminister beantragte daraufhin bei der EU widerwillig eine Fristverlängerung, wie es ihm das Parlament per Gesetz vorgeschrieben hat, und legte den gesetzgebenden Prozess für den Austritt bis zu einer EU-Entscheidung auf Eis. Es ist wahrscheinlich, dass die EU einer Fristverlängerung zustimmt. Zumindest twitterte EU-Ratspräsident Donald Tusk, dass er den 27 EU-Mitgliedern empfiehlt, der von London beantragten Fristverlängerung zuzustimmen, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern.

Schaden des EU-Austritts

Das dürfte auch im Sinne der deutschen Exportwirtschaft sein. „Ein chaotischer Austritt ohne Abkommen ist und bleibt die schlechteste aller Möglichkeiten“ und hätte „katastrophale Folgen für den deutschen Außenhandel“, so die Einschätzung von Holger Bingmann. Außerdem meinte der 58-jährige Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) gegenüber der Rheinischen Post („Brexit wird deutschen Export in 2019 3,5 Milliarden Euro kosten“ veröffentlicht am 07.10.2019), dass die Unsicherheiten rund um den britischen EU-Austritt bereits immensen Schaden angerichtet hätten: „Allein im ersten Halbjahr hat sich das deutsche Exportgeschäft mit Großbritannien in Höhe von über 3,5 Milliarden Euro – hochgerechnet auf das Gesamtjahr – in Luft aufgelöst.“ Laut Bingen hat das Spuren hinterlassen: „Großbritannien ist somit inzwischen in der Rangfolge unserer Handelspartner von Platz fünf im Jahr 2016 auf aktuell Platz 13 abgerutscht und liegt hinter Polen.“ Das dürfte auch die englische Wirtschaft spüren. In jedem Fall kam der FTSE 100 Index in der vergangenen Woche um 0,6 Prozent voran.

Aufpoliertes Image der EU

Nach Einschätzung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung („Wie die EU von der Brexit-Saga profitiert“ veröffentlicht am 22.10.2019) hat das Gezerre um den EU-Austritt Großbritanniens aber auch positive Effekte. Das Gemeinschaftsgefühl der Bürger in der EU jedenfalls scheint eine Renaissance zu erleben. Waren im Mai 2016, also kurz vor der britischen Brexit-Abstimmung im Juni 2016, noch 47 Prozent der befragten EU-Bürger nicht mit der EU-Demokratie einverstanden, sind es heute nur noch gut ein Drittel. Mehr als die Hälfte der Europäer sieht die EU-Demokratie derzeit positiv. Zudem hat sich das Image der EU in der EU-Bevölkerung – außer in Frankreich – verbessert. Der Euro STOXX machte auf Wochensicht ein Prozent an Boden gut.

DAX vs. MDAX (5 Jahre, normiert)*

DAX vs. MDAX (3 Monate, normiert)*

* Frühere Wertentwicklungen sind keine verlässliche Indikation für die zukünftige Wertentwicklung. (Quelle: Bloomberg, Stand: 23.10.2019)

Ausgewählte Termine der anstehenden Woche

Datum Land/Unternehmen Ereignis
22.10.2019 CH Ausländische Investitionen in japanische Aktie
22.10.2019 US Investitionen in ausländische Anleihen
25.10.2019 CH GfK Verbrauchervertrauen
25.10.2019 CH ifo Geschäftsklimaindex/Geschäftsaussichten/aktuelle Beurteilung
25.10.2019 CH Reuters/Uni Michigen Verbrauchervertrauen
25.10.2019 CH Umsätze großer Einzelhändler
25.10.2019 CH Chicago Fed nationaler Aktivitätsindex
25.10.2019 CH Tokio Verbraucherpreisindex
25.10.2019 CH Harmonierter Verbraucherpreisindex
25.10.2019 CH Bruttoinlandsprodukt annualisiert
25.10.2019 CH Fed Zinssatzentscheidung mit Pressekonferenz
25.10.2019 CH S&P Case-Shilller Hauspreisindex
25.10.2019 CH Verbrauchervertrauen Conference Board
25.10.2019 CH Schwebende Hausverkäufe
25.10.2019 CH Einzelhandelsumsätze
25.10.2019 CH Arbeitslosenquote
25.10.2019 CH ADP Beschäftigungsänderung
25.10.2019 CH Persönliche Konsumausgaben
25.10.2019 CH Vorgesehener EU-Austritt Großbritanniens
25.10.2019 CH Bank of Japan Zinssatzentscheidung mit Pressekonferenz
25.10.2019 CH Bank of Japan Prognosebericht
25.10.2019 CH Industrieproduktion
25.10.2019 CH NBS PMI Einkaufsmanagerindex
25.10.2019 CH Bruttoinlandsprodukt
25.10.2019 CH Verbraucherpreisindex
25.10.2019 CH Arbeitslosenquote
25.10.2019 CH Einzelhandelsumsätze
25.10.2019 CH GfK Verbrauchervertrauen
25.10.2019 CH Anträge Arbeitslosenunterstützung
25.10.2019 CH PCE Persönliche Konsumausgaben
25.10.2019 CH Chicago Einkaufsmanagerindex

(Quelle: finanzen.net, Stand: 23.10.2019)

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