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07. November 2019 – UBS Thema im Fokus

Trendwende im laufenden Abschwung?

Laut dem Sachverständigenrat zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung befindet sich Deutschlands Volkswirtschaft im Abschwung. Das schreiben die sogenannten Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten 2019/20. Demnach soll das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im laufenden Jahr mit einem Plus von real 0,5 Prozent „merklich weniger stark wachsen als in den Vorjahren“. Zudem wird erwartet, „dass sich die schwache wirtschaftliche Dynamik mindestens bis in das kommende Jahr hinzieht und das Wachstum mit 0,9 Prozent im Jahr 2020 schwach bleiben wird“. Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser zeigte sich gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.: „Industrie erhält im September überraschend viele neue Aufträge“ veröffentlicht am 06.11.2019) jüngst allerdings recht zuversichtlich: „Der freie Fall der Industrie ist gestoppt.“

Frage nach Rezession „belanglos“

Optimistisch titelte auch Spiegel Online am vergangenen Freitag: „Deutschland schrammt wohl doch an Rezession vorbei“. Dabei bezog sich das Magazin auf die jüngste Konjunkturprognose des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Diese geht davon aus, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal 2019 gegenüber dem Vorquartal stagniert und somit auf der Stelle tritt. Sollte es so kommen, würde Deutschland technisch gesehen in keine Rezession rutschen, da es für eine Rezession per Definition zwei Quartale hintereinander zu einem negativen Wirtschaftswachstum kommen muss. Dennoch stellt Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums am IfW Kiel, klar, dass die Frage nach einer technischen Rezession an sich belanglos sei.

Trotzdem: „gesamtwirtschaftliche Auslastung … gesunken“

Die IfW-Forscher stützen ihre nach oben berichtigte Prognose eigenen Angaben zufolge auf die vorläufige Schnellschätzung von Eurostat, die im Berichtszeitraum für die Wirtschaftsleistung im Euroraum ein Plus von 0,2 Prozent in Aussicht stellt. Die Eurostat-Schätzung basiert auf Angaben von 17 Mitgliedstaaten, die 93 Prozent der Wirtschaftsleistung des Währungsraums abdecken. Darin sind auch vorläufige, bislang unveröffentlichte Daten zum deutschen BIP eingeflossen, erklären die IfW-Experten. Kooths ordnet die neuen Zahlen wie folgt ein: „Die Konjunktur in Deutschland zeigte sich im Sommer geringfügig fester als bislang erwartet worden war. Insgesamt setzte sich der Abschwung aber fort, denn die gesamtwirtschaftliche Auslastung ist weiter gesunken.“

Auftragseingang überraschend stark

Hoffnung, dass alles nicht so schlimm wird wie lange befürchtet, verströmt auch ein wichtiger Frühindikator für die konjunkturelle Verfassung: Nach vorläufigen Berechnungen von destatis sollen sich die Auftragsbücher des verarbeitenden Gewerbes im September 2019 gegenüber dem Vormonat mit plus 1,3 Prozent überraschend stark gefüllt haben. Gemäß des anfangs erwähnten F.A.Z.-Artikels haben Fachleute im Vorfeld „lediglich mit einem Mini-Plus von 0,1 Prozent gerechnet“. Ohne Berücksichtigung von Großaufträgen erhöhte sich der reale Auftragseingang saison- und kalenderbereinigt sogar um 1,5 Prozent. Rückwirkend wurden auch die Zahlen für den Vormonat nach oben angepasst: Demnach sollten die Ordereingänge im August 2019 nicht um 0,6 Prozent, sondern nur um 0,4 Prozent zurückgegangen sein.

USA und China nähern sich scheinbar an

Ende vergangener Woche kam Optimismus auf, dass die USA und China den Handelsstreit bald beilegen könnten, wie unter anderem das manager magazin („China und USA nähern sich im Handelsstreit offenbar an“ veröffentlicht am 05.11.2019) berichtet. Demnach soll das erste Teilabkommen im Handelskonflikt der beiden Länder einen Passus enthalten, der vorsieht, dass ein Teil der in den vergangenen Monaten eingeführten Zölle zurückgenommen wird. Die Marktteilnehmer am Aktienmarkt zeigten sich erleichtert, was sich unter anderem am Wochenplus des deutschen Leitindex DAX in Höhe von 1,9 Prozent abgelesen werden kann. Auch der US-amerikanische S&P 500 Index kam im gleichen Zeitraum voran, allerdings nur um 1,3 Prozent. Beim MDAX ging es gleichzeitig um 2,6 Prozent nach oben, und beim TecDAX sogar um 3,2 Prozent.

Ziel der „schwarzen Null“ aufgeben

Doch die Angst vor einer weiteren Konjunkturabkühlung ist weiterhin vorhanden, was angesichts der weiter bestehenden geopolitischen Risiken durchaus nachvollziehbar scheint. Bereits am vergangenen Mittwoch rief der stellvertretende Leiter des IfW-Prognosezentrums, Jens Boysen-Hogrefe, der auch Mitglied im Arbeitskreis Steuerschätzungen ist, in einem IfW-Kommentar die Bundesregierung auf, das Ziel der „schwarzen Null“ aufzugeben, um „zukünftigen konjunkturellen Risiken besser begegnen zu können“. Zwar zeichnet sich nach seiner Einschätzung in den folgenden Jahren „ein leicht schwächerer Anstieg der Steuereinnahmen“ ab. Doch sollte sich die Finanzpolitik, so Boysen-Hogrefe, nichtsdestotrotz an den Vorgaben einer Schuldenbremse ausrichten, die konjunkturelle Ausschläge zumindest teilweise berücksichtigt.

„Bei Wasserstoff die Nummer 1“

Dabei scheint die Bundesregierung durchaus darum bemüht, wirtschaftlich und klimapolitisch Impulse zu setzen. So forderte Bundesminister Peter Altmaier mit Blick auf die Energiewende und Wachstumspotentiale am Rande einer von mehreren Ministerien einberufenen Wasserstoffkonferenz mit rund 700 Teilnehmern, dass jetzt die Weichen gestellt werden müssten, „dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer 1 in der Welt wird.“ Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, bläst ins gleiche Horn und nimmt die Industrie in die Pflicht: „Wir haben in den vergangenen Jahren viele Studien und Pilotprojekte zu Wasserstoff und Brennstoffzellentechnologie im Verkehr gefördert. Jetzt muss die Automobilindustrie bezahlbare Fahrzeuge auf den Markt bringen und den Menschen zeigen, dass die Technik zuverlässig funktioniert.“

Erhöhung der Kaufprämie für Elektroautos

Auch die kürzlich erhöhte Kaufprämie für Elektroautos von bislang 4.000 Euro auf bis zu 6.000 Euro zeugt davon, dass Berlin den technologischen Wandel ernst nimmt und als Chance für die Industrie versteht. Bundesverkehrsminister Scheuer will gemäß der Tagesschau („Höhere Kaufprämie für E-Autos kommt“ veröffentlicht am 05.11.2019) das verfehlte Ziel, eigentlich schon bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen zu bringen, nun zwei Jahre später schaffen. Bis 2030 sollen es dann sogar sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge sein. Dass es sich dabei nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt, beweist die Ankündigung, dass der Bund den Ausbau der nötigen Elektro-Ladeinfrastruktur in den kommenden Jahren mit 3,5 Milliarden Euro fördern will. Der EURO STOXX Auto & Parts Index machte auf Wochensicht 2,9 Prozent an Boden gut.

DAX (5 Jahre)*

* Frühere Wertentwicklungen sind keine verlässliche Indikation für die zukünftige Wertentwicklung. (Quelle: Bloomberg, Stand: 06.11.2019)

Ausgewählte Termine der anstehenden Woche

Datum

Land/Unternehmen

Ereignis

07.11.2019

Eurozone

Treffen der Eurogruppe

07.11.2019

Eurozone

Wirtschaftsbulletin

07.11.2019

Eurozone

Prognose der Europäischen Kommission zum Wirtschaftswachstum

07.11.2019

Japan

Fahrzeugverkäufe

07.11.2019

Deutschland

Industrieproduktion

07.11.2019

Großbritannien

Bank of England Zinssatzentscheidung mit Sitzungsprotokoll

07.11.2019

USA

Anträge auf Arbeitslosenunterstützung

08.11.2019

Japan

Gesamte Haushaltsausgaben

08.11.2019

Japan

Ausländische Investitionen in japanische Aktien

08.11.2019

Japan

Investitionen in ausländische Anleihen

08.11.2019

Japan

Führender Wirtschaftsindex

08.11.2019

China

Handelsbilanz (Importe, Exporte)

08.11.2019

Deutschland

Handelsbilanz

08.11.2019

Eurozone

EcoFin-Treffen

08.11.2019

USA

Reuters/Uni Michigan Verbrauchervertrauen

09.11.2019

China

Erzeugerpreisindex/Verbraucherpreisindex

11.11.2019

Japan

Maschinenbestellungen

11.11.2019

China

FDI – Direktinvestitionen im Ausland (YTD) (Jahr)

11.11.2019

Großbritannien

NS verarbeitendes Gewerbe

11.11.2019

Großbritannien

Industrieproduktion

11.11.2019

Großbritannien

Bruttoinlandsprodukt

12.11.2019

Großbritannien

Durchschnittseinkommen

12.11.2019

Großbritannien

ILO Arbeitslosenquote

12.11.2019

Eurozone

ZEW Umfrage Konjunkturerwartungen

12.11.2019

Deutschland

ZEW Umfrage Konjunkturerwartungen/Aktuelle Lage

13.11.2019

Deutschland

Harmonisierter Verbraucherpreisindex

13.11.2019

Großbritannien

Erzeugerpreisindex/Verbraucherpreisindex

13.11.2019

Großbritannien

Einzelhandelspreisindex

13.11.2019

Eurozone

Industrieproduktion

13.11.2019

USA

Verbraucherpreisindex

13.11.2019

USA

Anhörung des FED-Vorsitzenden Powell

13.11.2019

USA

Monatliches Budget-Statement

(Quelle: finanzen.net, Stand: 06.11.2019)

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Deutsche Finanzexperten optimistisch

In Deutschland rechnen Finanzexperten mit einem Konjunkturaufschwung. Zumindest kletterte der ZEW-Indikator für Konjunkturerwartungen im Dezember auf 12,8 Punkte und erreichte damit den höchsten Wert seit Februar 2018.