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15. August 2019 – UBS Thema im Fokus

Ist die Gemütslage schlechter als die Faktenlage?

Das Wirtschaftsklima verschlechterte sich im zweiten Quartal 2019 in allen Regionen der Welt. Das ist das Ergebnis der vierteljährlichen Befragung von 1.200 Experten in 116 Ländern durch das Münchener ifo Institut. Der ifo Indikator fiel demnach im besagten Zeitraum von 2,4 auf (-10,1) Punkte. So negativ präsentierte sich das ifo Weltwirtschaftsklima zuletzt Anfang 2017. „Die Verschärfung des Handelskonflikts belastet die Weltkonjunktur beträchtlich“, lautet das Fazit der ifo Umfrage.

Stimmungsumfragen im Keller

Der ZEW-Index ist sogar auf einem Achtjahrestief angekommen. Das Barometer für die Erwartungen deutscher Finanzmarktakteure für das nächste halbe Jahr fiel im August 2019 auf (-44,1) Punkte, wie das Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu seiner monatlichen Umfrage unter 193 deutschen Finanzmarktexperten mitteilte. Analysten, die von der Nachrichtenagentur Reuters befragt wurden, hatten im Vorfeld mit einem Rückgang auf lediglich (-28,5) Zähler gerechnet. ZEW-Präsident Achim Wambach führt das überraschend starke Minus ebenfalls auf den Handelsstreit zwischen den USA und China und dem damit verbundenen Risiko eines globalen Abwertungswettlaufs, aber auch auf die gestiegene Wahrscheinlichkeit für einen No-Deal-Brexit zurück.

Spiegeln die Eindrücke die Realität wider?

Doch steht es wirklich so schlecht um die deutsche Wirtschaft? Tatsächlich tritt die deutsche Industrie bestenfalls auf der Stelle. Das Bruttoinlandsprodukt fiel im zweiten Quartal 2019 gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt gestern bekanntgab. Wie die „Bild“ (Artikel „Deutschlands Wirtschaft schrumpft“ veröffentlicht am 14. August 2019) richtig erkennt, schrumpft die deutsche Wirtschaft, aber ein Einbruch sieht anders aus. Ein Bundesbank-Präsident Jens Weidmann spricht im „Bild“-Artikel denn auch treffend von einer Flaute: „Dabei läuft die Binnenwirtschaft noch gut, die Schwäche konzentriert sich bislang auf die Industrie und den Export.“

Ifo-Studie: Deutschland als Profiteur des Handelsstreits …

In diesem Zusammenhang sehr interessant ist, dass eine aktuelle ifo Studie zu dem Urteil kommt, Deutschland profitiere vom Handelsstreit. Demnach könnten EU-Staaten mehr in die USA exportieren, wenn Washington wie kürzlich angedroht Zölle von zehn Prozent auf weitere chinesische Importe im Wert von 300 Milliarden US-Dollar erheben würde. „Grund für dieses Ergebnis ist, dass einseitige US-Zollanhebungen deren Produzenten begünstigen und Staatseinnahmen erhöhen“, erklärt ifo-Expertin Marina Steininger. Haben sich die Erwartungen der befragten Marktteilnehmer in den eingangs erwähnten Umfragen also über die Maßen eingetrübt?

… allerdings in sehr begrenztem Maß

Steiniger führt weiter aus: „Jedoch halten sich sowohl die positiven Effekte für Deutschland, die EU und USA, als auch die negativen Konsequenzen für China in Grenzen.“ Zudem räumt die ifo Studie ein, weder eine Abwertung der chinesischen Währung Yuan noch die negativen Effekte wachsender Unsicherheit für die Investoren einberechnet zu haben. Ersteres ist allerdings just vergangene Woche zumindest zweitweise passiert. Nicht einkalkuliert sind zudem eventuelle chinesische Gegenzölle, die wiederum Deutschland und der EU „als lachender Dritter stärker profitieren“ lassen würden. Sicher scheint derzeit, so ein mögliches Fazit, dass die Unsicherheit bis auf weiteres in den Finanzmärkten bleibt.

Reaktion am Aktienmarkt

Diese Unsicherheit sorgt am hiesigen Aktienmarkt für Kaufzurückhaltung. Dabei zeigt die Wall Street gegenüber deutschen Aktien eine relative Stärke. So rutschte der DAX zuletzt unter die 12.000-Punkte-Marke und hat in den vergangenen drei Monaten ein Kursminus von 1,3 Prozent aufgebaut. Im gleichen Zeitraum konnte der US-amerikanische S&P 500 Index gut vier Prozent an Wert zulegen. (Stand: 14. August 2019, Quelle: Bloomberg)*

„Harter Brexit“ immer wahrscheinlicher

Ein Grund hierfür könnte der „harte Brexit“ sein, mit dem die deutsche Finanzbranche mittlerweile immer mehr rechnet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Frankfurter Center for Financial Studies (CFS). Obwohl die meisten Finanzakteure bei einem No-Deal-Brexit mit Marktverwerfungen rechnen, die für die Realwirtschaft für beträchtliche Nachteile sorgen dürften, sprechen sie sich gegen zusätzliche Zugeständnisse der EU gegenüber der britischen Regierung aus, um auf den letzten Metern doch noch einen EU-Austritt Großbritanniens Ende Oktober ohne Abkommen abzuwenden. Dabei hoffen fast 88 Prozent der Befragten, dass es bei einem No-Deal-Brexit „zu vermehrten Verlagerungen von Geschäftsaktivitäten/Beschäftigten nach Kontinentaleuropa kommen wird“, wovon auch der Standort Deutschland profitieren könnte.

Klare US-Haltung eine an die EU gerichtete Drohung?

Die US-Regierung hat die Position zum bevorstehenden Brexit in Person von US-Sicherheitsberater John Bolton nochmals untermauert. Bei einem Besuch in London meinte dieser laut „Stern“ (Artikel „Trumps Sicherheitsberater John Bolton: USA unterstützen No-Deal-Brexit mit Begeisterung“ veröffentlicht am 13. August 2019), dass Trump an einem erfolgreichen Ausstieg Großbritanniens aus der EU am 31. Oktober gelegen sei: „Wenn es einen No-Deal-Brexit gäbe, wäre dies eine Entscheidung der britischen Regierung. Wir würden diese mit Begeisterung unterstützen.“ Ferner schloss mit dem Versprechen an die Briten, das in Richtung Brüssel wie eine Drohung wirken dürfte: „Wir sind bei Euch.“

Krisenherd Italien kocht wieder auf

Weiteres Ungemach für die EU zieht in Italien auf, immerhin die viertgrößte Volkswirtschaft Europas. Innenminister Matteo Salvini von der rechten EU-kritischen Lega-Partei drängt überraschend auf ein schnelles Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte. Sollte die Lega-Partei bei Neuwahlen als Sieger hervortreten, könnten auch in Italien die Stimmen für einen EU-Austritt lauter werden. Die italienische Senatorin Laura Garavini beschwichtigte im Interview mit dem „ZDF“ (Artikel „Senatorin warnt vor katastrophalen Folgen“ veröffentlicht am 13.08.2019), dass immer mehr Parlamentarier der Meinung sind, „dass überstürzte Neuwahlen keine intelligente Lösung wären und dass eine Übergangsregierung vielleicht doch besser zu schaffen wäre“. Schließlich ginge es darum, „dass die wirtschaftliche Lage im Land nicht noch katastrophaler wird als es jetzt der Fall ist“.

S&P 500 Index vs. DAX (auf 100 normiert) 5 Jahre*

S&P 500 Index vs. DAX (auf 100 normiert) 3 Monate*

* Frühere Wertentwicklungen sind keine verlässliche Indikation für die zukünftige Wertentwicklung. (Quelle: Bloomberg, Stand: 14.08.2019)

Ausgewählte Termine der anstehenden Woche

Datum Land/Unternehmen Termin
16.08.2019 Eurozone Handelsbilanz
16.08.2019 USA Reuters/Uni Michigan Verbrauchervertrauen
16.08.2019 USA Baugenehmigungen
19.08.2019 Eurozone Verbraucherpreisindex
20.08.2019 Eurozone Erzeugerpreisindex
20.08.2019 USA Red Book Index
20.08.2019 Knorr-Bremse Halbjahresergebnis
21.08.2019 USA FOMC Protokoll
21.08.2019 USA MBA Hypothekenanträge
21.08.2019 Analog Devices Quartalsergebnis
22.08.2019 USA Jackson Hole Symposium
22.08.2019 USA Erstanträge Arbeitslosenunterstützung
22.08.2019 Deutschland Einkaufsmanagerindex
22.08.2019 Deutschland Markit PMI Gesamtindex
22.08.2019 Eurozone EZB Sitzung
22.08.2019 Eurozone Markit PMI Gesamtindex
22.08.2019 Hewlett-Packard Quartalsergebnis
22.08.2019 Intuit Quartalsergebnis
22.08.2019 Salesforce Halbjahresergebnis

(Quelle: finanzen.net, Stand: 14. August 2019)

Weitere Blogeinträge:

Deutsche Finanzexperten optimistisch

In Deutschland rechnen Finanzexperten mit einem Konjunkturaufschwung. Zumindest kletterte der ZEW-Indikator für Konjunkturerwartungen im Dezember auf 12,8 Punkte und erreichte damit den höchsten Wert seit Februar 2018.