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26. September 2019 – UBS Thema im Fokus

Auf dem Weg zu einer „nachhaltigen Wirtschaft“?

Die Jugendprotestbewegung „Fridays for Future“ darf das jüngste Klimaschutzpaket der Bundesregierung als Erfolg verbuchen. So gab Finanzminister Olaf Scholz laut Spiegel Online („Merkel verteidigt Klimamaßnahmen“ veröffentlicht am 20.09.2019) an, dass das Klimaschutzpaket 2030, zu dem sich die Große Koalition am vergangenen Freitag durchgerungen hatte, eine Reaktion auf „Fridays for Future“ sei. Während die Wirtschaft durch die Maßnahmen in erster Linie steigende Kosten fürchtet, sieht Scholz darin eine Chance, „unsere Wirtschaft zu modernisieren und viele zukunftsträchtige neue Arbeitsplätze zu schaffen.“ Nach seinen Aussagen sieht das jüngste Klimaschutzpaket bis 2023 ein Investitionsvolumen von 54 Milliarden Euro vor.

Klimaschutzpaket als Beginn eines „tiefgreifenden Wandels“

Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt beim Klimaschutz hierzu auf Technologie und Innovation, wie sie am Rande des UN-Klimagipfels in New York Anfang der Woche betonte. Das neue Klimaschutzpaket sieht vor, dass das verfehlte Klimaziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, bis 2030 erreicht werden soll, um die vom Menschen verursachte Erderwärmung zu begrenzen. In ihrer vierminütigen Rede auf dem UN-Klimagipfel bezeichnete Merkel das Klimaschutzpaket 2030 als Beginn eines „tiefgreifenden Wandels“ in Deutschland, den sie als Beitrag der Bundesregierung auf dem Weg zu einer „nachhaltigen Wirtschaft und zu einem nachhaltigen Leben weltweit“ verstanden wissen will. Der Blick auf die Aktienmärkte könnte zu dem Schluss führen, dass die Börse den Vorstoß der Bundesregierung zumindest bisher nicht honoriert. Denn während der DAX eine Wochenperformance von minus 1,3 Prozent aufweist, muss der US-amerikanische S&P 500-Index einen Wochenverlust von „nur“ 0,9 Prozent verkraften.

Profiteure „von Merkels Klimamilliarden“?

Aus Sicht von Focus Money online („Wer in der Deutschland AG von Merkels Klimamilliarden profitiert“ veröffentlicht am 20.09.2019) gibt es allerdings mehrere Branchen und Unternehmen, die von den Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung profitieren könnten. Dazu zählen zum Beispiel der Energieversorger RWE und Immobilienunternehmen wie die börsennotierte Vonovia. Letztere könnten demnach künftig beim Einbau von moderner Gebäudetechnik wie zum Beispiel von Heizungen auf höhere staatliche Förderungen hoffen. Die Staatsgelder sollen auch in Infrastrukturprojekte fließen, sodass sich nach Einschätzung von Focus Money online Siemens, Hochtief und die Deutsche Telekom berechtigte Hoffnungen auf mehr Staatsaufträge machen dürfen. Derweil sollen auch Autokonzerne wegen der Unterstützung bei der Entwicklung von umweltfreundlicheren Motoren und wegen der Kaufprämie für Elektroautos zu den Profiteuren des Klimaschutzpakets gehören.

Forderung nach höheren Investitionsausgaben

Die angedachten Investitionsausgaben der Bundesregierung dürften bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf Zustimmung stoßen. Im aktuellen Interim Economic Outlook korrigieren die Marktexperten ihre Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft nach unten und fordern höhere Staatsinvestitionen, um der Konjunkturabkühlung entgegen zu wirken. Denn Handelskonflikte und politische Unsicherheiten belasteten die bereits geringen Wachstumsaussichten weiter, schwächten das öffentliche Vertrauen und hemmten Investitionen, heißt es darin. Das globale Bruttoinlandsprodukt soll im laufenden Jahr um nur noch 2,9 Prozent und in 2020 um 3,0 Prozent zulegen. Zuvor was die OECD noch von 3,2 bzw. 3,4 Prozent ausgegangen.

„Die Probleme liegen tiefer“

Für Deutschland prognostiziert die OECD ein Wachstum von 0,5 Prozent in 2019 und 0,6 Prozent in 2020. Besonders Deutschland muss sich nach Ansicht der OECD auf eine längere Wirtschaftsflaute einstellen. „Das, was zunächst wie ein zeitlich begrenzter Abschwung aussah, wird nun wohl doch länger anhalten“, sagte Laurence Boone, Chefökonomin der Industrieländerorganisation OECD, dem Handelsblatt („OECD sieht nicht nur eine Konjunkturdelle – ‚Die Probleme liegen tiefer, als wir lange dachten‘“ veröffentlicht am 25.09.2019). Tatsächlich sank der IHS Markit-Einkaufsmanagerindex im September 2019 um 2,1 auf 41,4 Punkte auf den tiefsten Stand seit Oktober 2012. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Pressemitteilung des Instituts IHS Markit unter rund 800 Firmen hervor.

„Lichtblick für die Konjunktur“

Ungeachtet dessen hat sich die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft nach zuvor fünf rückläufigen Monaten am Stück wieder etwas aufgehellt. Der Ifo-Index für das Geschäftsklima stieg im September 2019 auf 94,6 Punkte von 94,3 Zählern im Vormonat, wie das Münchner Ifo-Institut unter Berufung auf seine monatliche Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte. Demnach habe sich die Einschätzung der aktuellen Lage verbessert. Entwarnung kann aber nicht gegeben werden, weil sich der Ausblick auf die kommenden Monate erneut verschlechtert habe. Das Fazit der Experten lautet entsprechend: „Der Abschwung macht eine Pause.“ Dennoch betitelte die Süddeutsche Zeitung die Entwicklung am Dienstag als „Lichtblick für die Konjunktur“.

Fortschreitende Angleichung von Ost und West

Auch Wirtschaftsstaatssekretär Christian Hirte hat gute Nachrichten für Deutschland. Gegenüber der Presseagentur dpa sagte der Ostbeauftragte der Bundesregierung zu Wochenbeginn: „Die Situation im Osten ist viel besser als ihr Ruf.“ Trotz anhaltender Unterschiede bei der Wirtschaftskraft zwischen Ost und West seien die Wirtschaftskraft, Löhne und Gehälter sowie verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in den ostdeutschen Ländern in den rund 30 Jahren seit dem Mauerfall gestiegen. Bereits am Wochenende meldeten verschiedene Medien wie die Tagesschau mit Verweis auf den zur Veröffentlichung ausstehenden „Bericht zum Stand der Deutschen Einheit“, dass Löhne und Gehälter in Ostdeutschland mittlerweile 85 Prozent des Westniveaus erreicht hätten. In den beiden Vorjahren hatte das Verhältnis noch bei 73,2 Prozent gelegen. Vor 30 Jahren lag dieser Wert übrigens bei 43 Prozent, wie unter anderem die Tagesschau („85 Prozent des Westniveaus“ veröffentlicht am 21.09.2019) angibt.

ifo Geschäftsklimaindex (12 Monate)*

* Frühere Wertentwicklungen sind keine verlässliche Indikation für die zukünftige Wertentwicklung. (Quelle: ifo Institut, Stand: 25.09.2019)

Ausgewählte Termine der anstehenden Woche

Datum Land/Unternehmen Termin
27.09.2019 Eurozone Geschäftsklimaindex
27.09.2019 USA Nicht-militärische Investitionsgüteraufträge ohne Flugzeuge
27.09.2019 USA Auftragseingänge langlebige Güter
27.09.2019 USA PCE Kerndeflator – Kernausgaben für privater Konsum
27.09.2019 USA Privateinkommen/-ausgaben
27.09.2019 USA Reuters/Uni Michigan Verbrauchervertrauen
30.09.2019 China Caixin Einkaufsmanagerindex PMI Produktion
30.09.2019 China NBS Einkaufsmanagerindex PMI Produktion
30.09.2019 China Einkaufsmanagerindex PMI nicht-verarbeitendes Gewerbe
30.09.2019 Japan Industrieproduktion
30.09.2019 Japan Einzelhandelsumsätze
30.09.2019 Deutschland Harmonisierter Verbraucherpreisindex
30.09.2019 Deutschland Einzelhandelsumsätze
30.09.2019 Deutschland Arbeitslosenquote
30.09.2019 Eurozone Arbeitslosenquote
30.09.2019 Großbritannien Bruttoinlandsprodukt
30.09.2019 USA Chicago Einkaufsmanagerindex
01.10.2019 Japan Tankan Große Produktionsprognose
01.10.2019 Deutschland Einkaufmanagerindex verarbeitendes Gewerbe
01.10.2019 Eurozone Verbraucherpreisindex
01.10.2019 Großbritannien Markit Einkaufsmanagerindex PMI verarbeitendes Gewerbe
01.10.2019 USA ISM verarbeitendes Gewerbe
01.10.2019 USA Markit Einkaufsmanagerindex PMI Herstellung
01.10.2019 USA ISM bezahlte Preise
02.10.2019 USA ADP Beschäftigungsänderung
03.10.2019 Deutschland Markit Einkaufsmanagerindex PMI Gesamt
03.10.2019 Eurozone Markit Einkaufsmanagerindex PMI Gesamt
03.10.2019 Eurozone Einzelhandelsumsätze
03.10.2019 USA ISM nicht-verarbeitendes Gewerbe
03.10.2019 USA Anträge Arbeitslosenunterstützung
03.10.2019 USA Markit Einkaufsmanagerindex PMI

(Quelle: finanzen.net, Stand: 25.09.2019)

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